Fahrtechnik im Personenschutz und alles, was Du darüber wissen musst. Um ein sogenanntes Bedeckungsfahrzeug oder Begleitfahrzeug im Personenschutz-Einsatz richtig bewegen zu können.Terroristische Vereinigungen, welche für Aussenstehende meist unter dem Radar bleiben sowie viele neue Bedrohungslagen durch veränderte wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen, Energiekrise, Neidgesellschaften und nicht zu vergessen der Krieg in der Ukraine verändern die Arbeitsbereiche des Personenschutzes im erheblichen Maße.

Um dem teilweise sehr gefährlichen und möglicherweise unterschätzten Gefährdungspotential wirksam zu begegnen, ist es unerlässlich, dass alle Fahrer des Schutzfahrzeuges sowie des Begleitfahrzeuges und die Personenschützer eine enge Zusammenarbeit bilden. Jeder muss seinen Beitrag leisten, um den riskanten Einsatz erfolgreich zu bewältigen und die Schutzpersonen sicher ans Ziel zu bringen.

Grundlagen und Verhaltensregeln für Fahrer mit Schutzaufgaben

  • SOP (standard operation procedures) für unterschiedliche Einsatzszenarien wie Angriff auf das Einzelfahrzeug, Angriff auf einen Fahrzeugverbund, Ausfall eines Kfz nach einem Angriff und den damit verbundenen Maßnahmen

  • Verhalten im Konvoi (In- und Ausland): In vielen europäischen Ländern funktioniert das Fahren im Konvoi den Gegebenheiten entsprechend gut. Anders verhält es sich jedoch in Krisenregionen, wo die für uns vertrauten Verkehrsregeln kaum existieren. Zudem ist es in diesen Gebieten unerlässlich, eine präzise offline Routenplanung zu erstellen, da der GPS-Empfang oft kaum oder gar nicht vorhanden ist.

Sicheres Beherrschen von Fahrzeugen in Alltagssituationen

Um das Fahren im Grenzbereich des Möglichen zu gewährleisten muss jeder Fahrer sein Fahrzeug kennen. Auch mit Fahrzeugen der Schutzklassen VR4 und VR7 unter Berücksichtigung von Maßen und Gewichten. (z.B.Tiefgarage und Wendekreis) Szenarien und Bedrohungssituationen erkennen, umgehen und bewältigen. Aussencheck des Fahrzeuges, Szenebestimmung - sprich befindet sich eventuell eine mögliche Gefahrenquelle für die Schutzperson wie etwa eine plötzlich ansteigende Menschenmenge im Umkreis des Fahrzeuges, mögliche Randale etc.

Versetzte Fahrweise auf einer Fahrspur

Die am häufigsten genutzte Fahrweise ist nur effektiv, wenn alle Beteiligten die Vorgehensweise genau kennen. Optimalerweise fährt das Schutzfahrzeug auf der äußersten rechten Spur, während das Begleitfahrzeug mit ausreichend Abstand links dahinter positioniert ist. So behält es eine klare Sicht nach vorne und kann frühzeitig auf potenzielle Gefahren reagieren. Der Abstand zum Schutzfahrzeug sollte, sofern die Situation es erlaubt, so knapp wie möglich gehalten werden, um andere Fahrzeuge daran zu hindern, dazwischenzufahren, jedoch weit genug, um bei abruptem Bremsen noch ausweichen zu können.

Richtiger Fahrbahnwechsel und Fahrbahnanzeiger

Ein richtiger und vorausschauender Fahrbahnwechsel ist unumgänglich im Verbundfahren. Der Fahrer des Schutzfahrzeuges muss rechtzeitig darauf achten, bei Wunsch eines Fahrbahnwechsels oder beim Abbiegen, dem Begleitfahrzeug(en) den Fahrbahnwechsel mittels Blinkens ohne einen Fahrbahnwechsel durchzuführen um diesen anzuzeigen. Das dahinterfahrende Bedeckungsfahrzeug wechselt als Erster den Fahrstreifen und sichert somit dem Schutzfahrzeug den Rücken. Erst jetzt wechselt das zu schützende Fahrzeug den Fahrstreifen und befindet sich wieder direkt vor dem Begleitfahrzeug.

Merke:
Bei Fahrbahnwechsel mit mehreren Begleitfahrzeugen, wechselt zuerst das letzte Fahrzeug den Fahrstreifen und sichert für alle weiteren Begleitfahrzeugen sowie für das Schutzfahrzeug die Fahrspur. Das Einreihen wird von hinten nach vorne durchgeführt. Beim Rückeinordnen sollte es genauso durchgeführt werden. Jedoch sollte der Fahrer des Schutzfahrzeuges die Länge des Konvois bedenken, sodass alle genug Platz zum richtigen Einordnen haben.

Das Fahrzeug als Waffe - Hollywood kill: crash sensor und weitere Gadgets, welche für Begleitfahrzeuge zum Verhängnis werden können

Anders als es von Hollywood vorgelebt wird und wesentlich komplexer, muss bei Anschaffung oder spätestens bevor es zu einem Schutzeinsatz kommt, ein "Begleitfahrzeug" je nach Einsatzumfeld angepasst bzw. umgebaut werden. Die Realität zeigt genau hier die Schwachstellen. Viele, besonders hochpreisige Fahrzeuge sind vollgepackt mit Sicherheitselektronik, Airbag, Crash-Sensor, Sicherheitsbatterieklemme, welche das Kabel vom Pluspol der Batterie trennt, wenn zum Beispiel der Airbag ausgelöst wird, und den Motor nicht mehr starten lässt.

Natürlich kann es im Zuge einer Begleitschutzfahrt blitzschnell zu brenzligen Notsituationen kommen. Als Fallbeispiel: Das Begleitfahrzeug mit Serienausstattung rammt eine Absperrung-Airbag löst aus und der Motor stirbt automatisch ab und das Fahrzeug, obwohl es technisch kaum beschädigt ist, und ein Weiterfahren grundsätzlich leicht möglich wäre, lässt sich nicht mehr bewegen und muss den Schutzauftrag ungewollt abbrechen. Eine fatale Situation, welche leider nicht unbekannt ist. Ein stätiger Lernprozess, da es sehr schwer ist, etwaige Sicherheitselektrotechnik bei einem Serienfahrzeug nachträglich zu "deinstallieren". Entspricht natürlich nicht den Vorgaben der Hersteller!

Merke:
Eine zweite Batterie im Motorraum oder im Kofferraum kann das ganze Fahrzeug versorgen bzw.ein Starten des Motors erlauben auch wenn die erste Batterie platt ist. Sobald man den Motor nach einer sogenannten Notabschaltung starten will, wird die zweite Batterie dazugeschaltet - funktioniert!

Richtiger Abstand zum Schutzfahrzeug "Faustregel"

Als sogenannte Abstand-Faustregel in einer Stoppsituation zum vorderen Fahrzeug gilt: So weit an das vordere Fahrzeug auffahren, sodass die Reifen der Hinterachse des vorderen Fahrzeug für den Fahrer des Begleitfahrzeuges noch gut sichtbar bleiben - Genau die Position erlaubt dem hinteren Fahrzeuglenker mit seinem Begleitfahrzeug auch manövrierbereit bzw. einsatzbereit zu bleiben und gegebenenfalls in einer Notsituation mit dem Fahrzeug zu reagieren, flüchten etc.

Merke:
Oftmals wird der Abstand zum Vorderfahrzeug zu kurz gewählt und somit wäre auch der Reaktionsradius zu klein und Wendemanöver unmöglich.

Not-Evakuierung einer Schutzperson ins Fahrzeug

Ein Fahrer mit Schutzaufgaben muss Handlungsweisen sowie Taktik des eingesetzten Personenschutzes eingeschränkt auf alle möglichen Szenarien, welche mit seinem Fahrzeug zu tun haben kennen. Verhalten in einer Notsituation, Flucht oder Notevakuierung einer Schutzperson in das Fahrzeug muss mindestens halbjährlich zusammen mit dem Personenschutz sowie der richtigen Schutzperson speziell trainiert werden. Auch die Schutzpersonen müssen unterwiesen werden, wie ihr Schutzteam in verschiedenen Notsituationen zusammen mit der Schutzperson funktionieren. Wiederholtes Szenarien Training ist unumgängig um ein gemeinsames Konzept zu erstellen, um gegebenenfalls bei einem Angriffsszenario Leib und Leben zu schützen. Für temporäre Personenschutz-Einsätzen kann das schon einmal zur Herausforderung werden, da die zu schützenden Personen kaum bis kein Sicherhetsverständnis aufweisen.


Selbst bei dauerhaftem Personenschutz ist es entscheidend, nicht in die sogenannte Routine zu verfallen. Es ist wichtig, regelmäßig Konzepte und Protokolle zu überprüfen und so oft wie möglich durch Szenario-Training zu wiederholen.

Sondergeschützte Limousinen

Sondergeschützte gepanzerte Fahrzeuge dienen meist für Politiker, Königshäuser, hochrangigen Unternehmender oder Privatpersonen als sicheres Transportmittel. Gepanzerte Zivilfahrzeuge werden nach VPM- BRV (Ballistic Resistance Vehicle) in den Klassen VR1 schwach gepanzert, bis VR10 eingestuft. Näheres zu den VPM Richtlinien findest Du hier im wikipedia Link: VPM-Schutzklassen

Die üblicherweise eingesetzten Widerstandsklassen sind VR4 und VR7/BR6 (BVR 1999). Der Schrägstrich bei der Angabe für die sogenannten Schwerpanzer bedeutet, dass die Karosserie der Beschussklasse VR7 und die Verglasung der Beschussklasse BR6 entspricht. (Quelle: Wikipedia)

Neben Angriffen mit Schusswaffen schützen solche Fahrzeuge die Insassen auch vor Attacken mit Sprengstoffen, Brandbomben (Molotowcocktails), Brechstangen, Äxten etc.

Keine Zeit zum Nachdenken, kein Raum für Fehler
Um ein sondergeschütztes Fahrzeug richtig zu bewegen benötigt es aus rechtlicher Sicht rein eine Fahrerlaubnis der jeweiligen Führerscheinklasse (zulässiges Gesamtgewicht!).
Die Fahrer von Sonderschutzfahrzeugen müssen Besonderes leisten können. Ein professionelles Fahrertraining auf das jeweilige Fahrzeug wird erwartet bzw. vorausgesetzt. Zusätzlich kommen noch die Anforderungen des qualifizierten Personenschutzes für Handlungsweisen und Taktiken.

Solch Training vermittelt in simulierten Notsituationen überlebenswichtige Grundlagen und Standardverfahren, die im Ernstfall schnell abgerufen werden können, denn neben der Erfahrung hilft besonders eine gute Vorbereitung dabei, Stresssituationen zu bewältigen.
Die Fahrer müssen blitzschnell auffassen, umsetzen und reagieren. Sie müssen ihr Fahrzeug in jeder Situation beherrschen und tragen damit eine besondere Verantwortung.

Qualifizierter Personenschutz kann durch Fahrer mit Schutzaufgaben nicht ersetzt werden.
Gut ausgebildete Fahrer können aber Vorbereitungshandlungen erkennen und spontanen Angriffen entgegentreten.

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